Königstr 7
Haus der katholischen Kirche
70173 Stuttgart
Deutschland
Europarechtliche Konventionen, insbesondere die Istanbul-Konvention, verpflichten Deutschland, Betroffene von Menschenhandel zu identifizieren, zu schützen und zu unterstützen. Damit dies gelingt, bedarf es einer guten Kooperation aller beteiligten Akteur*innen vor Ort, wie z.B. Kommunen, Ausländer- und Leistungsbehörden, Polizei, Strafverfolgungsbehörden sowie Fachberatungsstellen. Um die Zusammenarbeit zu fördern, wurde 2007 in Baden-Württemberg der „Kooperationsleitfaden Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung“ veröffentlicht.
Um aktuellen Entwicklungen Rechnung zu tragen, wurde der Kooperationsleitfaden durch die baden-württembergischen Fachberatungsstellen in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration, dem Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen, dem Ministerium der Justiz und für Migration und den Kommunalen Landesverbänden überarbeitet.
Im Rahmen des Fachtages wird die Neuauflage des Kooperationsleitfadens vorgestellt. Durch Vorträge des bundesweiten Koordinierungskreises gegen Menschenhandel KOK e.V. und des Bundeskriminalamtes sowie durch Praxisforen werden Grundkenntnisse zu Menschenhandel und Zwangsprostitution vermittelt und die Teilnehmenden befähigt, bei konkreten Fällen informiert, kompetent und vernetzt zu handeln.
Zielgruppe:
Der Fachtag richtet sich an Mitarbeitende von Ämtern, Behörden, Polizei, Ermittlungsbehörden, Beratungsstellen, Fachkräfte der Flüchtlingssozialarbeit und Interessierte aus Baden-Württemberg.
Veranstalterinnen:
Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel in Baden-Württemberg:
FreiJa, FiZ im VIJ e.V. und Mitternachtsmission.
Anmeldung:
Um Anmeldung bis spätestens Donnerstag, 2. November 2023 unter dem folgenden Link wird gebeten: https://eveeno.com/133751743
Bitte wählen Sie aus welches Praxisforum Sie besuchen wollen.
Bei Rückfragen melden Sie sich gerne bei Frau Guerrero, FiZ, Telefon: 0711 23941-18.
E-Mail: guerrero@vij-wuerttemberg.de
Organisatorisches und Programm:
Ort: Haus der katholischen Kirche, Königstr. 7, Stuttgart (10 min zu Fuß vom Hbf)
Die Teilnahme inklusive Verpflegung ist kostenlos.
Die Veranstaltung wird finanziert durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration aus Landesmitteln, die der Landtag Baden-Württemberg beschlossen hat.
Ab 9.30h Ankommen bei Kaffee, Tee, Brezeln. Anmeldung
10.00h – 10.15h Begrüßung - Katja Schlonski, Moderatorin, ehem. Redakteurin beim SWR
Grußwort - Ministerialdirigentin Dr. Simone Höckele-Häfner, Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration
10.15h – 12.00h Inhaltliche Einführung:
Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung –
Definition, Hintergründe, Opferrechte - Sophia Wirsching, Geschäftsführerin des KOK e.V.
Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung
aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden - Franziska Kramer, Kriminalhauptkommissarin,
Bundeskriminalamt Wiesbaden
12.00h –13.00h Mittagsbüffet und Mittagspause
13.00h – 14.00h Vorstellung des Kooperationsleitfadens Baden-Württemberg für Fälle von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung
14.00h – 14.15h Pause, Kaffee
14.15h – 15.45h 5 parallele Praxisforen
16.00h – 16.30h Kurzberichte im Plenum - Resümée, Verabschiedung
Praxisforen:
In den Praxisforen kommen die Teilnehmenden über Herausforderungen in der Praxis und Wege zu gelingender Kooperation in Austausch. Anhand eines Fallbeispiels erarbeiten wir, wie – abhängig von der persönlichen und rechtlichen Lage der Betroffenen – das Vorgehen der verschiedenen Ämter, Organisationen und Personen aussehen kann, damit die Betroffenen die bestmögliche Unterstützung erhalten. Die Foren werden von Beraterinnen der Fachberatungsstellen für Betroffene von Menschenhandel gestaltet.
Bitte geben Sie bei der Anmeldung an, an welchem Forum Sie teilnehmen möchten (erste Wahl und alternativ zweite Wahl).
- Forum 1:
Von Menschenhandel Betroffene aus einem Drittstaat (Nicht-EU)
Personen aus Ländern außerhalb der EU, z.B. aus China oder Venezuela, haben meistens weder eine Aufenthalts- noch eine Arbeitserlaubnis. Wir klären den Ablauf zwischen den Behörden (z.B. Erteilung der Bedenk- und Stabilisierungsfrist nach § 59 Abs.7 AufenthG und Leistungsanspruch nach AsylbLG). Es wird die praktische Unterstützung dargestellt, z.B. geschützte Unterkunft und psychosoziale Begleitung durch die Fachberatungsstellen sowie Kooperation mit weiteren Hilfsangeboten. Auch die Herausforderung von grenzüberschreitenden Ermittlungen der Polizei und die Rolle der Betroffenen als Opferzeugin im Strafverfahren, aus dem sich der Aufenthaltstitel nach § 25.4a AufenthG ableitet, können besprochen werden.
- Forum 2:
Von Menschenhandel Betroffene im Asylverfahren, am Beispiel Nigeria
Der nigerianischen Menschenhandel floriert in Europa. Mädchen und Frauen, die in ihrer westafrikanischen Heimat in Not sind, werden mit falschen Versprechungen nach Europa gebracht, hier massiv ausgebeutet und zur Prostitution gezwungen. Bereits während der Ausbeutung oder nach der Flucht aus der Zwangslage beantragen manche Betroffene Asyl in Deutschland. Im Forum werden Hintergründe zum nigerianischen Menschenhandel dargestellt und wichtige Elemente des Asylverfahrens erläutert. Wir besprechen die Herausforderung von geschützter Unterbringung im Rahmen des Asylverfahrens (Wohnsitzauflage, Umverteilung). Auch der Umgang mit Bedrohungen der Betroffenen bzw. ihrer Familie im Herkunftsland kann Thema sein.
- Forum 3:
Deutsche Betroffene von Menschenhandel
Bei deutschen Mädchen und jungen Frauen wird häufig die „Loverboy – Methode“ eingesetzt: Überwiegend junge Männer spielen ihnen die große Liebe vor, um sie dadurch abhängig zu machen, in die Prostitution zu bringen und auszubeuten. Im Forum wird dieses Phänomen vorgestellt. Es werden psychische und gesundheitliche Aspekte beleuchtet sowie die Anforderungen an psychosoziale und therapeutische Unterstützung. Ebenso kann der Umgang mit Eltern und die Kooperation mit dem Jugendamt besprochen werden, sowie die Zusammenarbeit mit vielen weiteren Stellen, von Rechtsanwält*innen über Gesundheitseinrichtungen bis zu weiteren Beratungsstellen. Die Problematik einer Strafanzeige kann erörtert werden.
- Forum 4:
Von Menschenhandel Betroffene aus einem EU-Land
Im Forum wird die Situation einer Betroffenen aus einem EU-Land geschildert, z.B. aus Rumänien oder Bulgarien, die Opfer von Menschenhandel wurde. Wir besprechen, wie andere Stellen an eine Fachberatungsstelle für Betroffene von Menschenhandel vermitteln können, z.B. Gesundheits- und Ordnungsämter nach ProstSchG, Polizei oder Schwangerenberatungsstellen. Es wird erläutert, wie eine Fachberatungsstelle Betroffene unterstützt, z.B. mit geschützter Unterbringung, psychosozialer Beratung oder Begleitung bei Erstattung von Strafanzeige. Aufenthaltsrechtlich sind die Betroffenen in der Regel freizügig – wir erörtern, wie dennoch sichergestellt werden kann, dass sie trotzdem Sozialleistungen erhalten, die ihnen als Opfer von Menschenhandel zustehen. Auch die Unterstützung bei Rückkehr ins Herkunftsland kann besprochen werden.
- Forum 5:
Betroffene von Menschenhandel in einem Strafverfahren
Wenn Betroffene bei der Polizei und vor Gericht in einem Strafverfahren aussagen, ist das für sie und ihre Angehörigen nicht einfach. Der Ablauf von Ermittlungs- und Strafverfahren von der Erstvernehmung bis zum Abschluss des Hauptverfahrens und die Rolle der Opferzeugin mit ihren Rechten und Pflichten werden dargestellt. Wir besprechen, wie die Gefährdung eingeschätzt werden kann und welche Schutzmaßnahmen hilfreich sind. Im Forum wird auch die Psychosoziale Prozessbegleitung erläutert. Wir diskutieren, welche Herausforderungen sich in der Praxis stellen und wie die Zusammenarbeit von Polizei, Gericht und Fachberatungsstelle zum Wohl der Betroffenen gelingen kann.